
Ich verkaufte dieser Tage meine Vespa, um auf einen Elektroroller umzusteigen. Baba Benzin, Servus Strom. Nach einigen Probefahrten entschied ich mich für den EK3 von Horwin, eine austro-chinesische Marke mit Sitz im heimischen Kammersdorf …
Bei einem Elektroroller waren/sind für mich drei Sachen kaufentscheidend: Er muss aus der 125er Klasse (maximal 15 PS / 11 kW) sein, damit ich ihn mit dem B111 fahren darf. Er muss mindestens 70 km/h schnell sein – damit ich in der Vorstadt kein Hindernis bin. Der Akku muss entnehmbar sein, darf maximal 20 kg wiegen und sollte in der Stadt eine realistische Reichweite von 70 Kilometer aufwärts liefern. Dies erfüllt der Horwin EK3.
Der Start war leider sehr holprig, aber die Probleme wurde – hoffentlich – gelöst
Die erste Erfahrung war leider gleich negativ. Nach exakt 14 Kilometer gab die Elektronik den Geist auf. Kompletter Stillstand. Zufälligerweise fuhr Arno von Bikemite gerade zurück ins Büro und schleppte den Roller gleich ab. Der Horwin-Support machte danach ein Software-Update. Das brachte aber keinen Erfolg. Nach zwei Kilometern blieb der Roller wieder stehen. Der bemühte Horwin-Support diagnostizierte nun, dass der Fehler vermutlich beim Akku, bei der Akkuspannung liegt. Deshalb wurde der Akku getauscht. Mit dem neuen Akku machte ich gleich eine Ausfahrt. War aber eine kurze Runde, denn der Roller hatte nach wenigen Kilometern den selben Fehler. Danach wurde der Controller getauscht. Damit scheint das Problem gelöst sein, denn seit dem Tausch fährt der EK3 tadellos. Es gab da noch ein Problem mit der Fernbedienung, dem Ein/Ausschalter und der Alarmanlage. Das wurde auch komplett getauscht und funktioniert bisher wieder. Ich hoffe, das war’s für die nächsten Jahre!

Beschleunigung, Durchzug, Höchstgeschwindigkeit, Bremsen und Fahrmodi
Der Elektromotor (ein von Horwin entwickelter DC-Mittelmotor) hat eine Spitzenleistung von 6,2 kW (ca. 8,4 PS – 3,5 kW Nennleistung). Der Antrieb erfolgt über eine Kette. Was mir taugt, das ist das sanfte Surren während der Fahrt. Finde ich persönlich passend zu einem Elektroroller – aber das ist Geschmackssache.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ungefähr 95 km/h, die Beschleunigung von 0-60 km/h wird mit 6 Sekunden angegeben – beides für mich mehr als ausreichend. Zur Auswahl stehen drei Fahrmodi: 45 km/h, 75 km/h und 90 km/h – jeweils mit unterschiedlichem Ansprechverhalten. Bei der untersten Stufe geht’s sehr gemütlich zu. In der Stadt wechsle ich da meistens zwischen Modus 2 (spart ein bisserl Strom) und 3 – je nach Bedarf.

Vorhanden sind hydraulische, wohldosierbare Scheibenbremsen (CBS Öl-Kombisystem) vorne (14″ Räder) und hinten (13″ Räder). Jeweils mit doppelt hydraulischen Stoßdämpfern. Aufgezogen sind Vakuumreifen, d.h. mit Notlaufeigenschaften und einer längeren Lebensdauer.
Fahrkomfort, Verarbeitung, Abmessungen und Gewicht
Der Fahrkomfort ist für meine Größe (182cm) angenehm, wenngleich nicht so komfortabel wie bei meiner vorherigen Vespa. Leichte Unebenheiten werden durch die vier Stoßdämpfer aber ganz gut „gebügelt“. Obgleich ich damit eh keine „größeren“ Distanzen zurücklegen werde, wäre das wohl möglich. Die Abmessungen betragen 1.900×1.130×690 mm, die Sitzbankhöhe liegt bei 780 mm. Das Gesamtgewicht inklusive einem Akku beträgt etwa 114 Kilogramm, Die zusätzliche Nutzlast wird mit ca. 170 kg angegeben.
Positiv sehe ich auch das Handling und das geringe Gewicht. Leiwand: Wenn der Blinker betätigt ist, dann wird dies – wie im Auto – akustisch untermalt. Somit ist ein Vergessen schon unwahrscheinlicher. Manchmal sind es solche Kleinigkeiten, die dann für mich so praktisch sind.
Einen Kritikpunkt habe ich jedoch: Die Stangen der beiden Spiegel sind sehr kurz geraten. Da sehe ich kaum an meinen Schultern vorbei, was sich hinter mir abspielt. Deshalb kaufte ich beim Louis gleich zwei neue runde Spiegel mit Kugelgelenk (8mm, Rechtsgewinde, mit „E“ Prüfzeichen, um je ca. 10 Euro) und montierte sie. Super, jetzt sehe ich links und rechts an meinen Schulter vorbei.

Die Verarbeitung passt, denn während der Fahrt klapperte fast überhaupt nichts. Lediglich das magnetische Ablagefach vorne meldet sich bei stärkeren Unebenheiten.
Klar ist auch: Plastik dominiert. Was fehlt, das ist eine ordentliche Bodenmatte. Abgesehen von möglichen Kratzern verschmutzt dort das Plastik sehr. Bei der Deluxe-Version ist die dabei und für die Standard-Version lässt sie sich nachrüsten. Was ich auch gleich machte. Allerdings passen leider die Ausnehmungen nicht. Damit die Matte nicht bei Wind wegfliegt oder verrutscht, befestigte ich sie mit Klettbändern.
Angelassen wird automatisch über einen elektronischen Schlüssel. Als zusätzlicher „Gag“: Zum Starten (und Abstellen) einfach über den Bildschirm streichen. Der Schlüssel mit Fernbedienung kann den Roller nicht nur starten, sondern auch Ausschalten und Verriegeln. Die Fernbedienung könnte aber viel kleiner sein. Bräuchte ich aber alles nicht. Ein Schlüssel hätte auch genügt.

Herausnehmbarer Akku – Leistung, Reichweite und Handhabung
Der Lithium-Ionen Akku (von Samsung) ist entnehmbar und wiegt ungefähr 19 Kilogramm. Seine Leistung: 72V, 40Ah, ca. 2,9 kWh Kapazität. Damit sollen laut Produktseite bis zu 100 km Reichweite drinnen sein – unnötiges Marketing Bla-Bla. In der Praxis sind das bei mir zwischen 40 und 70 km herum – in der Stadt mehr, Überland und mit Spaßfaktor weniger. Für den „kleinen“ Akku dennoch ganz ordentlich. Bei weniger als 20% Restkapazität blinkt eine rote LED. Die volle Leistung steht dabei bis ca. 30% Restkapazität bereit, danach wird etwas und ab 5% stark gedrosselt. Die maximale Ladedauer des Akkus beträgt 4 Stunden.
Ein Kritikpunkt betrifft das Ladegerät: Das bläst ordentlich laut beim Laden – wie ein Föhn. Wenn der Ladevorgang abgeschlossen ist, schaltet sich automatisch das Gebläse aus. Das hört man sogleich in der Wohnung.

Ein SOC-Überwachungssystem sowie Batterie-Managementsystem bieten Schutz vor Überladung, Entladung, Überspannung, Kurzschluss. Zudem wird die Temperatur überwacht. Versprochen werden mehr als 1.000 Ladezyklen ohne nennenswerten Verlust.
Bei Bedarf ist Platz für einen zweiten, optional erhältlichen Akku. Den kaufte ich mir gleich dazu, denn sicher ist sicher. Hinweis: Beide Akkus lassen sich nicht gleichzeitig anschließen. Was aber kein Problem ist: Kurz stehenbleiben und umstecken. Ist ruckzuck erledigt. Für mich ist das nicht nur beruhigend ob der größeren Reichweite, sondern ich habe so auch immer einen voll geladenen Akku parat. Und ich muss nicht dauernd überlegen, wie weit ich mit der Restkapazität noch komme. Ob ich dann mit einem oder mit beiden Akkus unterwegs bin, entscheide ich nach Bedarf.

Was so alles an Ausstattung dabei ist
• Unter dem Sitz ist ein Staufach. Ein kompakter Jethelm (z.B. mein Shoei J.O) findet Platz – bei einem Akku. Wenn ein zweiter Akku drinnen ist, dann bleibt kaum Stauraum übrig.
[Update 8/21] Ich montierte nun doch einen Gepäckträger mit Topcase, obwohl mir das optisch nicht gefällt. Aber so kann ich wenigstens ein paar Sachen (z.B. Helm bei zwei Akkus, Jacke, Einkäufe, …) bequemer transportieren. Ich kaufte bei Bikemite um 79 Euro ein Bimie Topcase in Schwarz mit 28 Liter Kapazität. Montiert auf die schwarze Horwin-Halterung, die 91 Euro kostete. Praktisch: Das Topcase besitzt einen Schnellverschluss zum Abnehmen.

• Am LC-Display werden die wichtigsten Informationen angezeigt. Zum Beispiel aktuelle Geschwindigkeit, Energieverbrauch, Akkustand, gefahrene Kilometer, Fahrmodus, Tempomat, Parken, Retourgang. Der Bildschirm ist auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch halbwegs gut ablesbar. Mein Wunsch wäre dennoch ein analoger Tacho. Was mir fehlt: Ein Kilometerzähler, der sich nicht jedes Mal, wenn ich den Roller abschalte wieder auf Null zurückstellt, sondern dies manuell erlaubt – ich möchte gerne direkt sehen, wie weit ich mit einer Akkuladung schon gekommen bin. Un eine Anzeige der Uhrzeit wäre auch noch fein.
• Verbaut ist eine Voll-LED Beleuchtung mit „Coming Home“-Funktion (automatische Licht-Abschaltverzögerung) und Tagfahrlicht. Leuchtet sehr hell.

• Praktisch sind der Rückwärtsgang, der Tempomat (den aktiviere ich ganz gerne in 30er-Zonen), die Warnblinkanlage und die USB-Buchse zum Laden des Smartphones. Mit dabei ist auch ein – lautes – Diebstahl-Warnsystem. Da finde ich schade, dass ich die nicht deaktivieren kann. Die ist für mich zu sensibel eingestellt und geht flott los. Der Stromverbrauch durch die Alarmanlage ist zu vernachlässigen, wenn der Elektroroller ein paar Tage steht.
• Kleiner Zusatztipp: Nehmt bei der Montage der Kennzeichenhalterung zwei extra Beilagscheiben. Die reduzieren die Vibrationen deutlich, da das Plastik ein Bruchstelle darstellen kann.
• Es sind mehrere Farben erhältlich: In der Standardversion stehen Rot, Weiß, Mattschwarz sowie Mattgrau zur Auswahl, bei Deluxe Grau oder Dunkelblau. Ich entschied mich für Rot.
• Neben einem zweiten Akku und der Fußmatte stehen auch noch Windschild, Rack, Top Case, Smartphone-Halter sowie GPS-Tracker auf der möglichen Zubehör-Liste.
• Bei der Ausstattung Deluxe gibt’s (kostet 300 Euro Aufpreis) sind zusätzlich eine Ledersitzbank, Lederhandgriffe, verchromte Außenspiegel, eine Fußmatte sowie Metallic-Lackierung dabei.
• Das User Manual ist/war auf Englisch. Es gibt aber auch eine deutsche Fassung, die ich auf Anfrage per E-Mail als PDF bekam.
• Service und Pickerl erledigen dann Bike Spezialisten, die ganz in meiner Nähe ihre Werkstatt haben.
Update 500km-Service: Das wurde von Ernst Huber gewissenhaft erledigt. Super, dass es noch solche Unternehmen gibt. Knapp 100 Euro bezahlt ich dafür und werde sicher zum Stammkunden.
Horwin EK3 – mein erstes Fazit
Ausreichend Leistung, umfangreiche Ausstattung, ansprechendes Aussehen, fairer Preis. Ich bin bisher mit meiner Entscheidung für den Horwin EK3 Elektroroller zufrieden. Auch wenn der Start ein überaus holpriger war. Ich freue mich schon auf viele schöne Ausfahrten.
Update Oktober 2021 – Ein kurzes Resümee nach der ersten Saison mit dem Elektroroller
Nach den anfänglichen technischen Schwierigkeiten klappte es die restliche Saison mit dem EK3 reibungslos. Das Fahren macht(e) mir viel Spaß und ich war/bin damit gerne in Wien unterwegs. Ans regelmäßige Akkuschleppen zum Nachaden gewöhnte ich mich auch schon – ist gut für meine Fitness.
In einem Satz zusammengefasst: Bisher bereue ich in Summe den Umstieg von der Vespa nicht.
Bei Interesse: Der Preis liegt derzeit (Stand Oktober 2021) bei 4.590 Euro (4.890 Euro für Deluxe) plus optional 940 Euro für einen zweiten Akku. Mit Förderung günstiger. Ich kaufte ihn bei Bikemite, gleich bei mir um’s Eck.